7. Woche: 22.04.-28.04.01

Am Montag erscheint endlich mein erster Artikel. Sehr schön. Würde ich gern hier hinterlegen, aber die gescannte Version hat mehr als 4 MB. Ab 01.05. jedoch auch im Internet auf der Homepage der Budapester Zeitung - einfach

 hier klicken 

Kerstin fährt wieder, und der Rest der Woche plätschert so dahin. Am Freitag hat Edina ihren letzten Tag, Samstag geht sie nach Düsseldorf. Wir gehen schön mit ihr essen, und ich kann ein paar Fotos machen:

 

Suzanne und Edina

 

Ancsa, Rita, Suzanne, Rudi, Edina, Agi, Szolt

Am Samstag wird gearbeitet. Das ist so eine komische Regelung hier, dass alle Samstags arbeiten, dafür aber der kommende Montag vor dem Maifeiertag dafür frei ist. Mir solls recht sein..3 Tage lernen am Stück, da komme ich dem StB wenigstens ein paar Millimeter näher..

Samstag abend will ich nur noch ein wenig telefonieren, dann früh ins Bett..Allerdings - das Telefon ist tot..Aha, denke ich mir, da waren doch heute son paar Handwerker im Haus, die haben da bestimmt was abgeklemmt oder durchgeschnitten oder so..Im Stundentakt hebe ich den Hörer ab und warte auf ein Freizeichen - nix. Sonntag das gleiche Spiel..Ich denke an die netten Telekom-Frauen, die mir wahrscheinlich nicht helfen können..Also gehe ich zu einem anderen Matav-Point - und tatsächlich, die nette Mitarbeiterin spricht englisch und will mir sogar helfen.. (scheint noch nicht lange dabei zu sein..) Freundlich erzählt sie mir, dass mein Arbeitgeber leider seit 3 Monaten die Telefonrechnung nicht bezahlt hat und daher das Telefon abgeschaltet wurde..Ich setze meinen treuesten Hundeblick auf (täglich bei Kerstin erprobt, wenn sie sagt: "So, heute abend werden mal keine Chips gegessen!") und sage, dass ich da am Mittwoch erst wieder jemanden erreichen kann und doch so dringend das Telefon brauche..Sie verspricht mir, dass das Telefon spätestens morgen früh wieder freigeschaltet ist..Mal sehen, was am Mittwoch der Reiseveranstalter dazu sagt..

 

8. Woche: 29.04.-06.05.01

Der Montag ist warm, die Thermometer auf den Straßen zeigen 28 Grad. Ich hatte mir vorgenommen, an diesem Tag Umsatzsteuer zu lernen - also warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Mit meinem Buch gehe ich zur Donau, finde eine schmale Treppe, die von der Promenade direkt zur Donau hinunterführt. Dort lasse ich mich nieder, die Sonne strahlt, die Wellen rauschen. Nach etwa 15 Minuten kommen 2 Landstreicher.

Version 1: Die Landstreicher sind freundlich, sie sprechen mich in deutsch und englisch an. Ihre Sprachkenntnisse verraten mir, dass sie vor der Zeit ihrer Obdachlosigkeit, in ihrem anderen Leben, in Berufen tätig waren, die Fremdsprachenkenntnisse verlangten, qualifizierte, interessante Berufe vielleicht. Sie mögen vielleicht Freunde im Ausland gehabt haben, in der Schulzeit haben Sie stundenlang für anstehende Deutsch- oder Englischklausuren gelernt. Nun führen sie dieses Leben. Ein Leben in vollkommener Freiheit, wie mir der Blick auf mein Umsatzsteuerbuch neidisch sagt. Sie ziehen ihre Hemden aus, und ihr brauner Oberkörper zeigt mir, dass sie die letzten Tage in der Sonne verbracht haben, während ich vor einem Computerbildschirm meine Augen wieder ein wenig mehr ruinierte. Führen Sie nicht dieses Leben in Freiheit, von dem wir in Schulzeiten geträumt haben und das letztlich nur in den Sommerferien Wirklichkeit wurde? Haben Sie nicht mit dem wenigen Essen, was sie sich zusammenschnorren, alles, was man zum Leben braucht? An jedem Morgen können sie aufs Neue den Tag planen, ihr schwerer Kopf interessiert sich nicht für Besprechungstermine, Fristen oder Börsenkurse. Sie erzählen mir, dass sie heute durch die Donau schwimmen möchten. Ohne einen Gedanken daran, wer ihnen dabei zusehen könnte und was Passanten denken mögen, nehmen sie sich diese - Freiheit. Jedoch warten sie noch damit, genießen die intensiver werdende Sonne und die leichten Brisen, die von der Donau herüberwehen. Sie bieten mir einen Schluck aus ihrer Bierflasche an. Sie besitzen nur wenig, kennen mich nicht, und doch sind sie bereit, das Wenige mit mir zu teilen. Nach einigen weiteren Minuten des Verweilens verlasse ich den Ort - um wieder zu lernen...

Version 2: Die Zeit der Ruhe ist vorbei. In einem Abstand von 2 Metern lassen sie sich nieder, versuchen, mir in deutsch und englisch etwas zu erzählen. Ich lächle, widme mich dann aber wieder meiner Lektüre. Dann stehen sie auf, fangen an, sich auszuziehen. Bevor ich mir in schrecklichen Bildern ausmalen kann, was sie jetzt vorhaben, erzählen sie mir, dass sie durch die Donau schwimmen möchten und bitten mich, auf ihre Sachen aufzupassen. Möchte wissen, wer diese Klamotten ohne Handschuhe überhaupt anfassen würde. Den großen Sprüchen folgt jedoch nichts, der eine taumelt die Treppe hinunter, um mit dem Fuß die Wassertemperatur zu testen. Er macht sich jedoch nicht die Mühe, vorher Schuh und Socken auszuziehen. 2 Minuten später muss ich erneut aufstehen, um den anderen durchzulassen, der dann von der untersten Stufe sichtlich erleichtert in die Donau pinkelt. Dann setzen sich beide wieder hin, trinken abwechselnd Bier und Schnaps (morgens um 11). Einer bietet mir einen Schluck aus seiner Bierflasche an, dankend verneine ich und spüre ein leichtes Kribbeln in den Mundwinkeln, das nur Herpes bedeuten kann. Da ich das Lernen hier nun vergessen kann, warte ich noch ein paar Minuten, bevor ich mich aufmache, ein neues, schönes Plätzchen an der Donau zu finden, wo man ungestört lernen kann.

 

Ein merkwürdiger Tag...Ich habe ausgiebig gelernt, und abends um 8 sind es immer noch 21 Grad. Ich denke mir, bevor ich mit Heiner Brehmer in den Mai feiere, gehe ich mal los und suche eine Kneipe, in der vielleicht was los ist. Um nicht wieder sexuell belästigt zu werden (s.o.), gehe ich heute nicht über die Vaci utca, sondern die Promenade an der Donau entlang. Hier liegen viele Restaurants, draußen sitzen Leute und trinken Bier, es riecht nach Gegrilltem. Ich bin keine 2 Minuten unterwegs, da gesellt sich ein junger Mann zu mir..Fragt, ob ich Tourist wäre. Ich verneine und sage, dass ich hier arbeite. Er fragt, ob denn das business hier gut wäre - und ich warte nur darauf, was er mir anzubieten oder zu empfehlen hat ("Gehen Sie in die XY-Bar.."etc.). Ja, sage ich, business ist sehr gut hier..Ein paar Sekunden Stille, dann fragt er: "Are you gay?" Ich dachte, ich hätte falsch verstanden..(Vielleicht wollte er nur den Weg wissen.."You know the way?")..also frage ich nochmal nach.."Are you, ahem, gay?" "No" sage ich.."You know, this is the gay district.." "Oh, I´m sorry, hehe"..Er bleibt an meiner Seite.."So you like women?" fragt er..Und als ich "yes" sage, gibt er mir freundlich die Hand und geht..Ich sehe mich um..und tatsächlich ist es an diesem Teil der Promenade ziemlich leer..Also beeile ich mich, zu dem volleren Teil zu gelangen. Dort angekommen, spricht mich eine ältere Frau an, die vor einem Restaurant steht: "Hallo! Wie gehts? Sex?" Aber doch nicht bei der Hitze, Mütterchen..Trotzdem wundere ich mich, woher sie meinen todsicheren Spruch aus alten Disco-Zeiten kannte...Keine halbe Stunde war vergangen, und ich hatte schon keine Lust mehr, in eine Kneipe zu gehen. Wer weiss, was da noch passiert.. Heiner Brehmer ist wenigstens anständig.. Also holte ich mir am Büdchen ein paar Bier und ging zurück ins Apartment. Mir gegenüber sitzt Heiner Brehmer, und er sagt: "Guten Abend, meine Damen und Herren".."Meine Damen und Herren" nennt er mich - und die Erfahrungen dieses Abends scheinen ihm Recht zu geben..

Am Maifeiertag schlafe ich erst mal aus, gehe dann die neue Ausgabe der Budapester Zeitung kaufen, in der mein zweiter Artikel erschienen ist (die Online-Version findet ihr hier)

Wo ich schonmal in der Nähe bin, gehe ich zu McDonalds, die haben hier französische Wochen..Ein Zeichen? Kaum bin ich wieder raus, treffe ich meinen Freund von gestern. Wieder begleitet er mich ein Stück, obwohl, wie ich dachte, die Fronten doch nun geklärt sein sollten. Er fragt, ob ich gestern noch guten Sex gehabt hätte..Ich lüge: "Ja, klar" - und erspare mir in der anschließenden Gesprächspause die Gegenfrage. Irgendwann geht er dann doch, und ich kann endlich das tun, was ich am liebsten mache: Für die Steuerberaterprüfung lernen!!

Der Rest der Woche ist kurz, es wird bis zu 30 Grad warm, sonst passiert nix.

Freitag abend kommen Denielle und Mark aus Düsseldorf zu Besuch. Da die Lufthansa nur bis mittags streikt, muss ich selbst den Empfang vorbereiten:

;)

(Eine kleine Geschichte am Rande - sorry, Denielle: Am Flughafen sprang in Denielles Koffer ihre elektrische Zahnbürste an. Es muss für eine Frau ziemlich lustig sein, an Passanten vorbeizugehen mit einem Koffer, aus dem ein lautes "bssssssss" zu hören ist..)

 

Denielle                          Mark 

Wir gehen zum Mexikaner, wo John heute seinen Abschied aus Budapest und seine Rückkehr nach Amerika feiert, und trinken ein paar nette Bierchen. Am nächsten Tag geht es relativ früh los, wir gehen über die Kettenbrücke zum Schloß, dann zur Fischerbastei, von dort zur Zitadelle. Der Aufstieg ist ziemlich anstrengend, die Sonne brennt und zaubert auf meine zarte Haut einen Sonnenbrand. Wir versuchen, diesen von innen zu kühlen, und lassen uns in einem Straßencafe an der Vaci utca nieder. Gibts was Schöneres, als bei sommerlichen Temperaturen ein Weizenbier zu geniessen? Wir lernen zwei Engländer kennen, und es werden mehrere Weizen. Zum guten Abschluß beweist ein Engländer, dass es möglich ist, ein 0,5 l Glas Bier auf Ex in 5 Sekunden zu leeren. Unglaublich. Wenn die Engländer schon nicht Fussball spielen können - aber trinken können sie wirklich.. Leicht betrunken gehen wir wieder zum Mexikaner, wo heute Cinque de Mayo (oder Majo?)-Party ist, naja, jedenfalls mexikanischer Nationalfeiertag. Eine riesige Open-Air-Party mit Gästen aus aller Welt. Neben einigen Ungarn treffen wir hauptsächlich Amis und Kanadier. Für das Essen muss man stundenlang anstehen, daher trinken wir erstmal nur..Ein Fehler..Um 12 oder 1 sind wir so voll, dass wir beschliessen, ins Apartment zurückzugehen. Doch - welch wundersame Verwandlung - dort eingetroffen, entscheiden wir, uns mit einer Flasche Wein an die Donau zu setzen. Gesagt, getan, wir sind jedoch empört, dass um diese Zeit die Brücke und das Schloss nicht mehr beleuchtet sind. Denielle befällt zunehmend der Sekundenschlaf, und so gehen wir zurück. Barfuss durch die Straßen von Budapest.

Blick von der Zitadelle...Ja, das sind wir alles zu Fuß hochgegangen...

 

 

Der Sonntag beginnt ruhig. Sehr ruhig. Wir könnten den ganzen Tag hier sitzen bleiben und MTV gucken - aber dann raffen wir uns doch irgendwann auf und fahren zum Heldenplatz. A walk in the park, 

eine Einladung zum Mittagessen, und der Tag ist schon fast wieder vorbei. Um Viertel nach 5 verlassen mich die beiden wieder gen Düsseldorf.

Ein wirklich schönes Wochenende...

Und doch ist morgen wieder Montag, und ich muß zurück an meinen Arbeitsplatz...

 

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(wird fortgesetzt)